Montag, 11. Juni 2012

Vollzugsanstalt oder Folterkeller?

Die JVA Tegel wird ihrem schlechten Ruf ständig gerecht. Ganz speziell diese Justizvollzugsanstalt hat den Begriff des „Verwahrvollzuges“ erst in die Köpfe der Bürger/Innen gebracht.
Aktuell ist die Situation so schlecht wie noch nie, die JVA Tegel entwickelt sich von einer Verwahranstalt zu einem Folterkeller.

Viele werden jetzt sagen: „Der übertreibt doch“, andere, „der kann doch gar nicht recherchiert haben“. Ich spiegele hier jedoch nicht meine persönliche Meinung wieder, sondern harte Recherche und persönlich Erlebtes.

Zuerst muss man die Situation des normalen Gefangenen betrachten. Dieser ist faktisch rechtlos gegen die uniformierte Gleichgültigkeit. Er schleppt sich von VZPK (Vollzugsplankonferenz) zu Meetinggesprächen zu Gerichtsverfahren. Überall wird ihm sein schlechtes Wesen vorgehalten, er habe sich selber außerhalb der Gesellschaft begeben. Allein schon dieses Verhalten der Staatsdiener/Innen, die von uns allen finanziert werden, ist kontraproduktiv und entspricht nicht dem Auftrag einer modernen Haftanstalt innerhalb eines demokratischen Gefüges, hier der EU. Es werden Gerichtsurteile missachtet oder schlichtweg nicht ausgeführt, es werden Anträge nicht bearbeitet oder die Macht gegenüber den schutzbefohlenen Inhaftierten ausgenutzt. Natürlich bestehen auch hier positive Ausnahmen von der Regel, aber viel zu wenige. Der Auftrag der Resozialisierung ist so jedenfalls nicht auszuführen. Ständig mahnt der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte die Umsetzung von selbstauferlegten, gesetzlich verankerten Pflichten an. In Berlin alles hoffnungslos.

Was aber machen Menschen, die seit ihrer ersten Inhaftierung durch die Polizei, also bereits seit der Untersuchungshaft, noch vor dem Gerichtsurteil, ihre Unschuld beteuern? Diese werden jeden Tag in der JVA Tegel doppelt bestraft. Diese Menschen erlangen keinerlei Chance, jemals Vollzugslockerungen zu bekommen. Das ist nun keine „Nachlässigkeit“ mehr, sondern Folter, da der Grundsatz des Gesetzes, bestätigt vom Bundesverfassungsgericht, besagt, dass auch Menschen, die ihre Unschuld in Haft beteuern, nicht schlechter gestellt werden dürfen, als Menschen, die die verurteilte(n) Tat(en) auch gestehen.
Absolut besorgniserregend ist die Situation für kranke Menschen in der JVA Tegel. Auf Rückfrage teilte die JVA Tegel weder mit, ob sie für Menschen, die Verdachtssymptome einer Schwerbehinderung aufweisen, Unterlagen zur Information bereithält, noch wie sie diesen Menschen hilft. Nach persönlichen Gesprächen mit Inhaftierten, die eben solche Symptome aufweisen, ist sich der Autor sicher, dass mindestens 20 % der Inhaftierten in der JVA Tegel einen GdB von mindestens 50 auf Antrag erhalten würden. Aber auch diese Anträge hält die JVA Tegel offensichtlich nicht bereit. Und wenn dann die Feststellung des Grades der Behinderung erhalten, wird sogar schriftlich von der JVA Tegel darauf verwiesen, dass diese schwerbehinderten Menschen in der JVA Tegel nicht etwa Sonderrechte genießen können. Sie sind ja kriminell. Dies ist ein klares Indiz für gezielte Folter, da die UN-Behindertenrechtskonvention wohl nicht umsonst eine Gleichstellung, insbesondere des Zugangs zu Informationsmaterial, bestimmt.

Besonders absurd sind die Zustände für Familienangehörige und Freunde von Inhaftierten. Hier wird z.B. bei Meetingveranstaltungen explizit darauf hingewiesen, dass Gespräche mit Teilnehmern stattfinden werden (nicht können), um das Umfeld der Inhaftierten besser kennen zu lernen. Nur das diese Gespräche niemals zu Stande kommen. Auf 5 hintereinander folgende Beschwerden wurde bis heute nicht reagiert. Handelt es sich bei Inhaftierten doch etwa um Menschen 3. Klasse? Gibt es die Gruppenbetreuer überhaupt?
Die zuständige Senatsverwaltung, der Schwerbehindertenbeauftragte und die Landgerichte sind sich auch alle einig. Inhaftierte sind eben nicht gleich zu stellen. Besonders der Schwerbehindertenbeauftragte des Landes Berlins sollte in seiner Grundfunktion überprüft werden, da er zumindest durch eines auffällt. Durch Untätigkeit gegenüber der JVA Tegel. Und das Landgericht Berlin ist lediglich eine Zuspruchinstanz für die haltlosen Zustände in der JVA Tegel.

Insofern ist die JVA Tegel, insbesondere deren Leitung und Teilanstaltsleiter/Innen, eine krank machende Unrechtsinstitution, wie es sie in einer Demokratie mit dem Hintergrund der 30iger und 40iger Jahre des letzten Jahrhunderts nicht mehr geben darf. Wehret den Anfängen wurde uns als Kinder beigebracht. Warum ignorieren die Deutschen schon wieder Unrecht an Menschen, die sich nicht selber wehren können, da sie unter staatlicher (also unserer aller) Aufsicht stehen? Warum sind alle Aufsichtsbehörden gleichgeschaltet und reagieren auf keinen ernsthaften Hilferuf? Ignoranz auf der ganzen Linie, Resozialisierung unmöglich.

„Denk ich an Deutschland in der Nacht, dann bin ich um den Schlaf gebracht! (Heinrich Heine)“

Patrick Schiffler
Freier Journalist
Sozialberater – Schuldenberater - Justizopfer
Ladungsfähige Anschrift:
Schudomastr. 32
12055 Berlin

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