Donnerstag, 9. Juni 2011

Ein Tag zwischen Amtsgericht, Jobcenter und Büro

Man muss schon ziemlich verrückt sein, um Ehrenamt, Beruf und Selbständigkeit unter einen Hut zu bekommen. Heute ist es mir hervorragend gelungen, vor allem weil es ein so typisch untypischer Tag war, immer passiert das unerwartet Erwartete.

Zuerst ging es zum Amtsgericht Tempelhof-Kreuzberg, dem Hort des (Beratungshilfe)Unrechts in Berlin. Seit 2005 ist dies das schlimmste, berühmt berüchtigte Beratungshilfeablehnungsgericht. Ohne erkennbaren Grund ersticken die hier tätigen RechtspflegerInnen in Ihrer eigenen Pedanterie, geschätzte 50 % der Bedürftigsten in unserer Gesellschaft schaffen nicht einmal die erste Hürde, die Erstaufnahme. Bevor es zum Rechtspfleger geht, muss man den Fall erst im Vorraum darlegen, sollte man z.B. keine Kontoauszüge der letzten drei Monate dabei haben, wird man sofort abgewiesen, ALG II Bescheid hin oder her. Alles natürlich rechtmäßig, aber wirklich schrecklich alt-deutsch.
Ist man dann bei der/dem Rechtspflerger/Rechtspflegerin, fängt es an, richtig unsympatisch zu werden. Beratungshilfesachen müssen hier vorab erst einmal komplett nachvollziehbar selber bearbeitet worden sein, z.B. Schreiben an Gegner müssen vorgelegt werden, obgleich man diese als Privatbürger nicht immer in doppelter Abschrift mit Aktenanlage handhabt. Beratungshilfescheine für außergerichtliche Schuldenbereinigungen nach Plan gibt es so gut wie nie, außer die Schuldnerberatung schreibt auf, daß sie nicht weiterhelfen kann. Diese staatlichen Institutionen arbeiten aber sowieso kaum, liegt doch die gesamte Arbeitslast beim Schuldner, es müssen alle Anschreiben und Pläne selber gemacht werden. Recht paradox. Also ohne Beratungshilfeschein zum Jobcenter, Der ablehnende Beschluss wird postalisch zugestellt. Dazu noch ein kalter, menschenverachtender Ton, Standardhinweis: Menschen, die Arbeiten gehen, müssen das ja auch selber zahlen. Setzen, 6-.

Jobcenter Neukölln, ehemals Hort des Unrechts, geteilt auf Platz 1 mit dem Jobcenter Berlin Mitte, komplett in neuem Gewand, zentralisiert in der Mainzer Strasse im Kindl Boulevard. Schwieriger Fall, Eröffnung eines Gesundheitsgutachtens. Und hier die erste positive Überraschung des Tages: Ein sehr professionelles, nettes und fachlich einwandfreies Gespräch. Nach der Eröffnung des Gutachtens, es wurde auch sogleich kopiert, folgte das Angebot, aus sprachlichen Gründen die zwingend erforderliche Eingliederungsvereinbarung erst mitzunehmen, durchzuarbeiten nach Übersetzung, um sie dann unterzeichnet oder mit Anmerkungen wieder abzugeben. Hierfür wurden sogar, nicht vorgeschriebene, also positiv lange, 20 Tage Frist gesetzt. Das der Autor mal positives über das Jobcenter Neukölln schreiben darf, wäre vor einem Jahr noch nicht vorstellbar gewesen, bitte weiter so! Bienchen, 1+.

Ein sehr nettes, durchaus kurioses Ehepaar. Sie mit Niederlassungserlaubnis, er auch Ausländer, aber nur mit Duldung. Es geht um eine Zwangsräumung. Normalerweise hoffnungslos, kurz vor dem wegschicken wird nach Checkliste die Räumungsurkunde eingesehen. Und siehe da, der Mann steht gar nicht in der Räumungsankündigung, auch nicht im Räumungsurteil. Daher unwirksam, da der Ehegatte nicht von der Räumung betroffen ist! Schnell noch Anwalt eingeschaltet, zwei Schreiben weg an die Beteiligten, Räumung verhindert. Schöner Abschluss, Tag beendet mit 1-.

Das Wochenende darf kommen!

P.S. 17 Kunden insgesamt, 12 Mandanten dazu und 1 erfolgreiche Unternehmensberatung. Also 3 (ehrenamtlich) + 4 (beruflich) + 2 (selbständig) Stunden.

Noch abschließend zwei Literaturtips:

Unrecht im Namen des Volkes: Ein Justizirrtum und seine Folgen, Sabine Rückert, Hoffmann und Campe Verlag, Hamburg 2007, ISBN-10 3455500153

Der Prozess, Franz Kafka, Diogenes Verlag AG, ISBN-10: 3257237170

Verantwortlich nach dem Pressegesetz:
Patrick Schiffler, Freier Journalist
ladungsfähige Anschrift:
Richardstr. 102
DE-12043 Berlin
berlinpresse.blogspot.com

Keine Kommentare: